zurück zur Übersicht

Das Gehirn als unbekanntes Terrain

Frau Dr. Schmack, worüber forschen Sie?

Mein Forschungsgebiet ist die Schizophrenie. Das ist eine Erkrankung, die man zwar durch Medikamente und Psychotherapie behandeln kann, oft aber nur mit begrenztem Erfolg und nicht immer nachhaltig. Hinzu kommt, dass man noch keine umfassende Erklärung dafür hat, wie die Symptome der Schizophrenie entstehen. Patienten erleben bei Schizophrenie eine Veränderung ihrer Wahrnehmung und bekommen Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Ich sitze immer wieder vor Patienten, die leiden. Aber ich kann ihnen ihre Frage, was in ihrem Gehirn passiert, nicht beantworten. Eine der wenigen Sachen, die man bisher über Schizophrenie weiß, betrifft den Botenstoff Dopamin: es wird davon zu viel im Gehirn ausgeschüttet. Man weiß das, weil Medikamente, die gegen die Symptome der Schizophrenie wirken, diesen Botenstoff im Gehirn blockieren und dies zu einer Abnahme der Symptome führt. Wie genau Dopamin die Wahrnehmung bei Schizophrenie verändern kann und welche Rolle es überhaupt in der normalen Wahrnehmung spielt, versteht man aber noch nicht. Hier Genaueres herauszufinden, ist mein Ziel.

Wie gehen Sie das an?

Man kann mit der Magnetresonanztomographie (MRT) den Blutfluss im Gehirn darstellen und dadurch Rückschlüsse ziehen, in welchem Teil gerade Nervenzellen aktiv sind. Wir nutzen also funktionelle MRTs und geben den Patienten Aufgaben, während sie in der Röhre liegen. So kann man sehen, welcher Bereich des Gehirns während dieser Aufgaben aktiviert wird. Unsere Forschung spielt sich dabei auf mehreren Ebenen ab. Zunächst untersuchen wir Patienten mit Schizophrenie, vergleichen sie mit einer gesunden Kontrollgruppe und versuchen dadurch auszumachen, wie diese Menschen die Welt wahrnehmen und welche Hirnareale dabei eine Rolle spielen. Das quantifizieren wir mithilfe mathematischer Modelle. Außerdem führen wir ein Experiment durch, bei dem wir gesunden Probanden L-Dopa geben. Das ist eine Substanz, die dazu führt, dass im Gehirn verstärkt Dopamin gebildet wird. Wir beobachten dann, ob das die Wahrnehmung und die Hirnaktivierungsmuster verändert. Für die Probanden ist das übrigens risikoarm.

Wie genau muss man sich das vorstellen?

Bei einem Experiment, an dem wir gerade arbeiten, liegen die Probanden beispielsweise im MRT und sehen sich währenddessen ein Rauschbild an. In Rauschbildern erkennen fast alle Menschen gelegentlich ein Gesicht. Das gleiche Phänomen gibt es mit Wolken, die uns an bestimmte Gegenstände oder Personen erinnern. Interessanterweise sehen Patienten mit Schizophrenie in solchen Rauschbildern mehr Gesichter als gesunde Menschen. Wir überprüfen, ob und wie das mit Dopamin zusammenhängt. Dazu testen wir, ob die Probanden nach der Einnahme von L-Dopa mehr Gesichter sehen als nach der Einnahme eines Placebos, und welche Hirnareale dabei aktiviert werden.

Was ist die größte Herausforderung dabei?

Die prinzipiell größte Schwierigkeit ist, dass man das Thema am Menschen erforscht. Dadurch kann man nur begrenzt kausale Zusammenhänge untersuchen und häufig nur korrelative Beobachtungen machen.

Katharina Schmack

Förderprogramm
BIH Charité Clinician Scientists

Förderzeitraum
2015 bis 2018

Fachgebiet
Psychiatrie, Neurowissenschaften

Vorhaben

Die Neurobiologie von Wahnvorstellungen: Der Zusammenhang von Wahrnehmungsinferenz und Dopamin

Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin

 

Seit 2018
Leopoldina-Stipendiatin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Cold Spring Harbor Laboratory, New York, USA

2009 bis 2018
Wissenschaftliche Tätigkeit und Facharztweiterbildung, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

2009
Promotion zum Thema „Genetische und pharmakologische Einflüsse auf dopaminerge Hirnprozesse bei Schizophrenie-Patienten und Gesunden – drei fMRT-Studien“ (summa cum laude), Charité – Universitätsmedizin Berlin

Außerdem bekommen Patienten mit Schizophrenie aus ethischen Gründen schnell Medikamente verabreicht, um ihre Symptome zu lindern. Dadurch verschwimmen in der Beobachtung aber Erkrankung und eventuelle Behandlungsauswirkungen.

Woher kommt Ihre Faszination für das Thema?

Ich finde das Gehirn ist das Interessanteste von allen Organen. Es gibt noch viel zu erforschen, vor allem im Bereich der Psychiatrie. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Psychiatrie langfristig dazu in der Lage ist, wie andere Bereiche der Medizin auch, quasi-mechanistische Diagnosen zu stellen und kausale Therapien anzubieten. Im Moment stellt man viele Diagnosen anhand von Symptom-Checklisten, weil man kein Verständnis davon hat, welcher Mechanismus überhaupt dahintersteckt. Haben wir eine Diagnose gestellt, behandeln wir dann doch nur wieder die Symptome, und das manchmal mit begrenztem Erfolg. Ich wünsche mir, dass man da die Hintergründe besser verstehen lernt. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass Stigmata gegenüber Krankheiten, und die gibt es bei Schizophrenie zweifelsfrei, viel damit zu tun haben, dass man eine Krankheit nicht versteht und nicht zufriedenstellend behandeln kann. Als ich ein Kind war, wurde zum Beispiel über Krebs fast nicht gesprochen, das war wie ein Tabu. Seither hat sich in der Gesellschaft natürlich sehr viel verändert. Ich denke, es liegt daran, dass man Krebs heute gut behandeln kann. Das wünsche ich mir für unsere Patienten auch.

Was hat die Förderung konkret für Sie bedeutet?

Die Forschungszeit, die man bezahlt bekommt, verschafft unheimlich viel Luft. Man muss sich vor niemandem dafür rechtfertigen, dass man diese Zeit nutzt, um zu forschen. Es gibt in dem Rahmen auch Veranstaltungen, Jours Fixes oder Retreats, bei denen Geförderte aus verschiedenen Fachgebieten zusammenkommen. Ehrlich gesagt habe ich habe ich das am Anfang als Zusatzverpflichtung wahrgenommen. Im Laufe der Zeit fiel mir jedoch durch die Vorträge der Anderen auf, wie sich andere Disziplinen in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben und ich habe angefangen, ihre Ansätze in meine Forschung zu integrieren. Das hat mich in meinem Denken ein ganzes Stück weitergebracht. So plane ich im Anschluss an die Förderung einen Aufenthalt in den USA, bei dem ich meine Forschungsfrage mit neuen Methoden bearbeiten werde.

Juli 2017 / TO