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Vom Mechaniker und Fotografen zum Unternehmer und Innovationstreiber

Robert Frigg möchte als BIH Visiting Professor junge Projektteams bei der Entwicklung ihrer Ideen für innovative Medizinprodukte unterstützen. Worauf es dabei ankommt und wie er als ehemaliger Mechaniker zum Erfinder von Medizinprodukten wurde, hat er uns im Interview erzählt.

Herr Professor Frigg, Sie haben ursprünglich eine Lehre zum Mechaniker gemacht. Haben Sie schon damals an Knochen herumgeschraubt?

Zunächst wollte ich Hubschrauberpilot werden. Über eine mechanische Lehre konnte man die Umschulung zum Flugzeugmechaniker machen, aber leider konnte ich dort im Endeffekt doch nicht einsteigen. Da ich gerne fotografierte, machte ich mein Hobby einfach zum Beruf und nahm bei der AO Foundation in Davos, einer im Bereich der Knochenforschung weltweit führenden Stiftung, eine Stelle als Fotograf an.

Was haben Sie dort fotografiert?

Die biomechanischen Untersuchungen, die Histologie, Rasterelektronenmikroskopie, Tierversuche, da gab es vieles.

Wie kamen Sie dann dazu, Medizinprodukte zu entwickeln?

Eines Tages kam der Leiter des Labors zu mir und hat gefragt, ob ich für den Hausmechaniker einspringen könnte. Ich hatte ein gewisses Talent, mechanische Probleme zu erkennen. Ich beobachtete auch Operationen und sah dort schnell, was nicht gut lief. Diese Probleme wollte ich daraufhin lösen und entwickelte so die ersten Ideen für neue Implantate.

Was genau führt Sie nun hierher nach Berlin?

Mein Anliegen ist die Translation von Forschungsergebnissen in die klinische Anwendung. Die Medizintechnik hat sich gewandelt. Früher kamen die Innovationen aus der Klinik und die Industrie hat die Investition und das Knowhow bereitgestellt, um die Produkte an den Patienten zu bringen. Durch vermehrte Regulierung sind Unternehmen zurückhaltend geworden – man will kein Risiko mehr eingehen. Früher war die Industrie der Motor hinter der Innovation, heute muss es der Erfinder oder die Erfinderin sein, der einiges an Vorleistung liefert. Dabei handelt es sich um Prozesse, welche die Universitätskliniken kaum erbringen können. Welche Akademiker haben die Zeit dafür? Man muss also eine Idee für die Industrie attraktiv machen und darin sehe ich meine Rolle. Als BIH Visiting Professor unterstütze ich junge Teams in Berlin dabei, ihre Projekte zu definieren und weiterzuentwickeln.

Wie genau läuft Ihre Zusammenarbeit mit den Klinikern ab?

Für mich ist es am wichtigsten, dem klinischen Problem auf den Grund zu gehen. Steht man am Operationstisch, versucht man, das Problem mit den Mitteln zu lösen, die bereits zur Verfügung stehen. Im Team überlegen wir daraufhin, wie man es anders angehen könnte. Das geschieht oftmals, indem man Innovationen aus anderen Bereichen kombiniert, die neu auf dem Markt sind: bildgebende Mittel, Materialien oder IT Lösungen. Es ist schon fast alles erfunden und irgendwo gibt es die technische Lösung – wir müssen sie nur erkennen, anpassen und je nachdem erweitern.

Gibt es eine Erfindung, auf die Sie besonders stolz sind?

Die größte Veränderung haben wir bei der Verplattung von Frakturen bewirkt. Früher wurde ein großer Schnitt gemacht, die Platte wurde auf den Knochen geschraubt und die Wunde zugenäht. Einige Kliniker schlugen vor, nur einen kleinen Schritt zu machen, die Platte hereinzuschieben und mit kleinen Stichen die Schrauben zu setzen.

Robert Frigg

Förderprogramm

BIH Visiting Professors

Förderzeitraum

2017 bis 2019

Vorhaben

Förderung von medizintechnischen Lösungen und deren Translation in Medizinprodukte

Fachgebiete

Unfallchirurgie und Orthopädie

Institution

Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) und Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

 

Seit 2013

Leiter Forschung und Entwicklung, und heutiger Besitzer der 41medical AG, Bettlach, Schweiz, Senior-Berater an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg, Österreich, Senior-Forschungsberater an der Universitätsklinik Balgrist, Zürich, Schweiz, Berater für Medizinprodukte am Wyss Traslational Center Zurich, ETH Zürich

2004 bis 2012

Chief Technology Officer, Synthes; Global responsible for technology and innovation (Trauma, Spine, CMF), Langendorf, Schweiz

1992 bis 1997

Direktor of the AO/ASIF Development Institute, Davos, Schweiz

Weltbekannte Operateure haben das abgelehnt und argumentiert, eine Wunde heile quer, daher spiele es keine Rolle, wie lang der Schnitt sei. Dass Patienten lieber eine kleine als eine große Wunde hätten, wurde ignoriert. Man war es eben gewohnt. Wir haben daraufhin anatomische Platten entwickelt, die man minimal-invasiv einsetzen konnte. Da jede Anatomie etwas anders ist, lagen die Platten oft nicht passend an, weshalb wir eine spezielle Verschraubungstechnik erfunden haben, bei der sich die Schraube in Platte und Knochen verankert und sie so fixiert. Die Technik hat sich durchgesetzt. Sie ist besser für die Belastbarkeit, den Knochenaufbau und die Wundheilung. Es war ein riesiger Aufwand, eine Lehrmeinung zu kippen. Das hat die Plattenosteosynthese der vorausgegangenen 50 Jahre überworfen.  

Wer waren die größten Skeptiker?

Man muss die Chefetage ins Boot zu holen – es geht nicht, dass der interessierte Assistenzarzt mehr weiß als sein Chef. Es hat sich bereits viel geändert, früher war die Hierarchie noch stärker. Es gab eine Schulmeinung und von dieser wollte man nicht abweichen. Heute gibt es verschiedene Lehrmeinungen. Der Grund, warum auf einigen Gebieten die Innovationskraft abgenommen hat, hat sicher auch mit dem Kostendruck der Kliniken und dem zum Teil fehlenden Miteinander von Klinik, Forschung und Industrie zu tun.

Wen sehen Sie da in der Pflicht?

Es müsste einen Regulierungsapparat geben, der Sicherheit verschafft, aber die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Klinik erleichtert. Ohne irgendwelche Sympathien für die heutige US Regierung, muss man dieser zugutehalten, dass sie die Überregulierung im MedTech-Bereich zum Teil rückgängig gemacht hat. Sie war schon lange ein Dorn im Auge der Industrie, welcher Trump bekannterweise nahesteht. Also hat er die Gesetze geändert – das ist eine Aufgabe für die Politik. Europa hat den entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Das ist eine riesige Herausforderung, auch in Anbetracht der Implementierung von E-Health mit ihrem großen Innovationspotential.

Welche Rolle käme dabei Unternehmern wie Ihnen zu?

Die Wettbewerbe für junge Start-Ups oder Projekte sind oft sehr aufwendig – für Beträge, die im Endeffekt recht gering sind. Man bekommt 10.000, vielleicht 20.000 Euro. Wenn Sie ein Medizinprodukt entwickeln, brauchen Sie alleine 500.000 Euro, nur um die Entwicklung abzuschließen. Junge Menschen verschwenden dafür viel Zeit, in der sie eigentlich ihr Projekt weiterentwickeln sollten. Ich würde gerne sehen, dass man den Mut hat, in einer früheren Phase über einen größeren Betrag zu sprechen. An der ETH Zürich gibt es ein Innovation and Entrepreneurship Lab, durch welches Projekte Unterstützung für zwei Jahre in der Größenordnung von 140.000 Euro erhalten. Wenn man immer nur 10.000 oder 20.000 Euro gibt, ist es, als gäbe man diesen jungen Menschen einen Happen zu essen – und ließe sie dann verhungern.

Haben Sie eine Vision, was Sie in den nächsten Jahren erreichen wollen?

Ich bin ein Produktmensch. Es gibt tolle Forschung und Visionen – für mich ist wichtig, wie sie umgesetzt werden. Entweder ist die Industrie dazu bereit oder es müssen Gefäße entstehen, in welche Idee hineinfließen kann und die Umsetzung automatisch funktioniert – nicht jedes Start-Up muss die gesamte Expertise zusammenbringen. Am Ende hätte man ein fertiges Produkt, das steril verpackt ist und klinisch verwendet werden kann.

Sie bringen diese Expertise ja mit…

Schon, aber eine One-Man-Show bringt auch niemanden weiter. Es hilft einem Start-Up leider zu wenig, wenn ihnen jemand sagt, wie sie es machen sollen. Effizienter wäre es, wenn Strukturen da wären, die ihnen helfen, ihre Idee zu einem erfolgreichen Produkt auf dem Markt, also zu einer Innovation zu bringen. Mit dieser Idee bin ich nach Berlin gekommen.

Oktober 2018 / MM