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Aus Syrien als Medizinstudentin an die Charité

Sara Abou Raslan studiert im achten Fachsemester Humanmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie wird von der Stiftung Charité als Deutschlandstipendiatin gefördert. Nach fast einem Jahr Leben und Studieren in der SARS-CoV-2-Pandemie treffen wir Sara Abou Raslan zum virtuellen Interview. Sie erzählt von ihrem Studium inmitten einer Pandemie, ihrem außeruniversitären Engagement sowie über ihre Erfahrungen als Syrerin, die vor fünf Jahren nach Deutschland kam.

Seit ich 17 Jahre alt bin, habe ich den Traum, Neurologin zu werden und in die Forschung zu gehen. Ich denke, ich bin auf einem guten Weg. Das Medizinstudium macht mir von Anfang an großen Spaß. Die Pandemie hat für uns Studierende jedoch viel verändert. Es ist für uns schon das zweite Semester seit Pandemiebeginn. Sich selbst neu und meistens allein zu organisieren, war für viele eine echte Herausforderung. Der direkte Kontakt mit den Dozenten fehlt und der direkte Kontakt zu den Patienten auch. Die praktische Komponente ist aber ein hoher Motivationsfaktor. Sie dient nicht nur dazu, das theoretisch Gelernte anzuwenden, sondern es sich auch besser zu merken.

Die Pandemie erschwert das leider sehr. Vorher war der persönliche Austausch selbstverständlich und ich habe nicht viel daran gedacht. Jetzt, wo die persönliche Interaktion in so vielen Situationen fehlt, sei es mit Dozenten, Kommilitonen oder Freunden, merke ich erst, wie wertvoll sie eigentlich ist.

Medizinisch betrachtet hat mich die Pandemie auch überrascht. Ich hatte gedacht, die Forschung würde noch schneller mit dem Virus fertig werden. Wir sind wissenschaftlich so weit fortgeschritten. Ich hätte nicht gedacht, dass uns solch ein Virus derartige Schwierigkeiten bereiten würde. Trotz der ganzen Möglichkeiten, die wir heute haben, ist es der Forschung bisher nicht gelungen, das Virus vollständig zu verstehen und zu bekämpfen. Das Virus hat uns unsere Grenzen aufgezeigt.

Sara Abou Raslan

Förderprogramm
Deutschlandstipendium

Förderzeitraum

Seit 2018

Fachgebiet
Humanmedizin

Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin

 

Seit 2017

Medizinstudium an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Aber trotz der Einschränkungen im Studium und im Alltag versuche ich weiterhin, mich in meiner Freizeit für andere zu engagieren. In Berlin gibt es eine große arabische Community und viele benötigen Unterstützung. Ich bin selbst vor fünf Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen und kann ihre Probleme aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen. Ich dolmetsche für sie, begleite sie zu Behördenterminen oder helfe beim Ausfüllen von Formularen.

Im SOS-Familienzentrum helfe ich arabischsprachigen Kindern bei den Hausaufgaben und gebe Nachhilfe. Dabei ist mir aufgefallen, dass die vielen tollen Hilfsangebote, die es in Deutschland gibt, die Betroffenen mitunter nicht erreichen, weil sie schlichtweg nicht wissen, dass sie existieren. Ich habe deshalb mit meinen Freunden ein Projekt gestartet, das auf Arabisch über die zahlreichen Hilfsmöglichkeiten in Berlin informiert und Hilfesuchende zum Beispiel mit Dolmetschern und anderen Freiwilligen in Kontakt bringt.

Ich kann die Probleme dieser Menschen gut nachempfinden, weil der Start in Deutschland auch für mich persönlich eine große Herausforderung war. Kultur und Sprache – alles war neu. Ich war so froh, dass ich nach nur eineinhalb Jahren in Deutschland einen Studienplatz an der Charité bekam. Das sprachliche Niveau an der Universität und im Medizinstudium ist ein ganz anderes als das, was ich aus dem Deutschunterricht kannte. Ich musste sprachlich sehr viel aufholen und übe auch heute noch Deutsch. Mit der Zeit kam ich jedoch immer besser zurecht. In Berlin ich die jetzt vielen Möglichkeiten, die Freiheit und das multikulturelle Leben. Mit meiner Geschichte möchte ich anderen jungen Frauen Mut machen.

Dezember 2020 / Marie Hoffmann